Was ist eine "Mumie"?

Unter diesem Stichwort findet man in einem Lexikon folgende Definition: "Als Mumie wird der durch natürliche Austrocknung oder künstliche Präparierung vor Verwesung geschützte Leichnam bezeichnet." Dieser Sachverhalt läßt sich für Ägypten in eine zeitliche Abfolge ordnen. In der Prädynastischen Zeit (4. Jahrtausend v. Chr.) bestatteten die Ägypter ihre Toten in einfachen Gruben im trockenen, heißen Wüstensand, was eine natürliche Konservierung der Leichname bewirkte.

Als man später dazu überging, die Verstorbenen aufwendiger in Matten oder Holzsärgen beizusetzen, kam es durch Feuchtigkeitseinwirkung zur Verwesung und Skelettierung der Leichen, was konservierende künstliche Maßnahmen vor der Bestattung erforderlich machte. Die Ägypter glaubten nämlich an ein Weiterleben nach dem Tode, wie die Beigabe von Vorratsgefäßen, Waffen und Schmuck schon in den frühesten Gräbern beweist. Als wesentliche Voraussetzung für den Aufenthalt im Jenseits galt der Fortbestand des kompletten und so funktionsfähigen Körpers. Dieser Wunsch wird in einem der Sprüche des Totenbuchs - einer religiösen Textsammlung, die auf Papyrus geschrieben und ins Grab mitgegeben Schutz und Hilfe im Jenseits bieten sollte - recht drastisch formuliert. Da heißt es in einem Gebet an den Herrscher im Totenreich (Tb 154) zum Beispiel:
"Sei gegrüßt, mein Vater Osiris! Mögest du mich in dein Gefolge nehmen, daß ich nicht verwe se. Dieser Körper von mir soll nicht vergehen, denn ich bin voll ständig. Meine Glieder bestehen ewig. Ich verwese nicht, ich schwelle nicht auf, ich zerfalle nicht und werde nicht zu Würmern. Ich bestehe fort, ich bleibe fest, mein Körper vergeht nicht in diesem Lande, ewiglich!"

Um dies zu erreichen, entwickelten die Ägypter im Laufe der Zeit immer bessere Methoden zur Konservierung der Toten. Dabei hat sich die Technik der Mumifizierung von einem längeren Experimentierstadium (ab 2500 v. Chr.) über eine Blütezeit (um 1000 v. Chr.) bis zur flüchtigen Massenproduktion in griechisch-römischer Zeit (etwa 300 v. Chr. - 400 n. Chr.) vielfach gewandelt.
Unterschiede in Qualität und Ausstattung von Mumien verweisen jedoch nicht nur auf die jeweilige Entstehungszeit, sie verraten uns auch etwas über die soziale Stellung der betreffenden Person. Nach dem Bericht von Herodot (Historien II 85 - 90) gab es bei den Ägyptern drei nach Qualität und Preis gestaffelte Balsamierungsarten. Ein Mitglied des Königshauses konnte sich beispielsweise eine wesentlich kostbarere Behandlung leisten als ein einfacher Priester oder Beamter.
Die bei der Einbalsamierung reichlich verwendeten Harze, Öle und Spezereien verfestigten sich später zu einer schwarzen, teerartigen Substanz. Daher glaubte man seit dem Mittelalter, daß die ägyptischen Mumien vorwiegend mit Asphalt einbalsamiert worden seien. So bedeutet das aus dem Persischen ins Arabische eingeflossene Wort mumiya eigentlich Wachs; später bezeichnete man damit Bitumen oder Asphalt und übertrug den Ausdruck auf die konservierten Leichname der Ägypter.

Die arabischen Ärzte hielten das im Leib der Mumien gefundene sogenannte "Mumienharz" sogar für heilkräftig, da die heilende Wirkung natürlich vorkommender Asphaltprodukte schon seit dem Altertum bekannt war. Der oft ausgezeichnete Erhaltungszustand der Mumien verleitete sie sogar zu der Annahme, daß den Körpern selbst geheimnisvolle konservierende Kräfte innewohnten. So kam es zu einem schwungvollen Handel mit Mumien, die in großer Zahl von Ägypten aus nach Europa transportiert wurden. Hier verarbeitete man sie noch im letzten Jahrhundert zu einer angeblich bei vielerlei Krankheiten nützlichen Arznei (mumia aegyptiaca) oder stellte sie als Sehenswürdigkeiten in den damaligen Kuriositätenkabinetten, den Vorläufern unserer heutigen Museen, zur Schau.
Der weitaus größte Teil ägyptischer Mumien, die sich heute in den Museen in aller Welt befinden, gelangte allerdings erst durch den Sammeleifer von Forschungsreisenden und Kunstliebhabern nach Europa; neben Antiquitäten wurden oft komplette Mumien - zum Teil noch in ihren ursprünglichen Särgen - zum Kauf angeboten. Heutzutage ist die Ausfuhr von Altertümern und Mumien natürlich strengstens verboten. Die bei Ausgrabungsarbeiten neu gefundenen Mumien werden bereits an Ort und Stelle anthropologisch untersucht.
(weiter -> Herstellung und Ausstattung einer Mumie)

Quelle: Dr. Beatrix Geßler-Löhr, http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes1/GesslerLoehr/text1.html

MYSTERY

MUMIEN