Totenkult und Jenseitsvorstellungen

Die fertiggestellte Mumie wurde in einen oder mehrere ineinandergeschachtelte Särge aus Holz oder Stein gelegt und der Begräbnistag festgesetzt. In einem feierlichen Trauerzug geleiteten Verwandte und Freunde den Toten zu seinem Grab, wobei ein Rindergespann den Sargschlitten durch die Wüste westlich des Nils bis zum Friedhof ziehen mußte.

Der Vorgang der Mumifizierung galt keineswegs nur als handwerkliche Tätigkeit, sondern war in einen vielfältigen Ritualvollzug eingebunden. Bei diesem Balsamierungsritual handelt es sich gleichsam um ein religiöses Theaterspiel, wobei sowohl der Tote als auch die Priester die Rolle von Göttern übernehmen.
Während der Verstorbene bei Leichenwäsche und Einbalsamierung als schwarz ausgefüllte, menschliche Silhouette erscheint, erhält er durch die Umhüllung Gestalt und Namen des Totengottes Osiris, um dessen Schicksal von Tod und Wiederauferstehung teilen zu können. Bei der Leichenwäsche gelten die beteiligten Priester als die Reinigungsgötter Horus und Thot, während sich der Leiter der Totenpriester durch Anlegen einer Schakalsmaske in den Totengott Anubis verwandelt, der dem Mythos nach als Sohn des Osiris einst für dessen ordnungsgemäße Mumifizierung und Beisetzung zuständig war. In einem späten Ritualtext entlassen die Götter den zu Osiris gewordenen verklärten Toten mit folgenden Worten aus der Balsamierungswerkstatt: "O wie schön gehst du fort in Frieden zu deinem Haus der Ewigkeit, zu deinem Grab der ewigen Dauer!"
Nach dem Begräbniszeremoniell mit seinen Wiederbelebungsriten vor dem im Hof des Grabes aufgestellten Mumiensarg (Mundöffnungsritual) wurde der Sarg über den engen Grabschacht in die unterirdische Sargkammer gebracht. Hier sollte nun der Körper des Toten in alle Ewigkeit in seiner schützenden Mumienhülle verbleiben, während seine Seele in verschiedenen Erscheinungsformen das Grab und die Mumie verlassen möchte.
So wünscht sich der Tote, in Gestalt seines Ba-Vogels emporzufliegen und tagsüber das Sonnenlicht zu schauen - als Vogel mit Menschenkopf wird der Ba häufig dargestellt. Die Ka-Seele dagegen wird wie eine Art Doppelgänger des Toten abgebildet, der ihm Schutz und Lebenskraft vermittelt. Erklärtes Ziel des Toten ist es, die beengende Mumienumhüllung abzustreifen, um in wiedererlangter menschlicher Gestalt in den paradiesischen Gefilden des Jenseits verweilen und sich dort frei bewegen zu können. Er möchte "Ein- und Ausgehen im Totenreich".
Unzählige Bild- und Textquellen auf Grabwänden und Papyri erlauben uns so einen Einblick in die Vorstellungswelt der Ägypter. Eine ganz andere Art von Informationen liefern dagegen die Mumien selbst. (weiter -> Mumienforschung heute)

Quelle: Dr. Beatrix Geßler-Löhr, http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes1/GesslerLoehr/text1.html

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