Der
angebliche Fluch der Pharaonen
Zugegeben: Eine aufgrund nachlässiger Mumifizierung oder schlechter
Lagerungsbedingungen weitgehend zerfallene Mumie bietet einen ziemlich
unerfreulichen Anblick, was durch die mumifizierungsbedingte Verfärbung
der Haut (dunkelbraun-schwarz) noch verstärkt wird. Dies kann durchaus
einen Gruseleffekt hervorrufen und mag zusammen mit der Furcht, daß
einem so lebensähnlich präparierten Leichnam vielleicht doch
noch magische Kräfte zukämen, den angeblichen Fluch verursacht
haben.
Konkreter Anlaß war allerdings die Entdeckung des Grabes von König
Tutanchamun durch H. Carter im Jahr 1922 mit seinen unermeßlichen
Schätzen und der unversehrten, von einer massiv goldenen Maske
bedeckten Mumie. Nur ein Jahr später starb der Auftraggeber Lord
Carnarvon, der die Ausgrabung finanzierte, unter mysteriösen Umständen;
weitere Todesfälle folgten. Die Presse untermauerte ihre Behauptung
von der Rache des Pharao mit dem angeblichen Fund einer Tontafel mit
der Fluchformel: "Der Tod soll den mit seinen Schwingen erschlagen,
der die Ruhe des Pharao stört." Eine solche Inschrift wurde
aber nie gefunden.
Tatsächlich existieren vergleichbare Drohformeln in Privatgräbern
aus dem Alten Reich, d.h. also mehr als 1000 Jahre zuvor. In dem sogenannten
"Anruf an die Lebenden" wendet sich der Grabherr vorwiegend
mit positiv formulierten Bitten an die Grabbesucher. Sie sollen für
ihn Totengebete sprechen oder Opfergaben niederlegen. In diesem Zusammenhang
droht er aber auch potentiellen Grabschändern zur Abschreckung
diverse Strafen an. So heißt es etwa: "Jeder Mensch, der
irgendeinen Stein oder Ziegel aus meinem Grab herausreißen sollte,
mit dem werde ich mich durch den großen Gott richten lassen, und
ich werde ihm seinen Hals abreißen wie einem Vogel...".
Diese Sorge um den Erhalt des Grabes war durchaus nicht unberechtigt,
wie die Erfahrung schon damals zeigte. Die Gier nach Schätzen führte
schon bald nach der Erbauung der Pyramiden zu ihrer Plünderung
durch Grabräuber; aus der Zeit nach Tutanchamun sind uns sogar
originale Prozeßakten gegen die Grabräuber im Tal der Könige
erhalten. Und was ist mit dem Fluch, der offenbar ebenso wenig abschreckte
wie die drakonischen Strafen?
Tatsächlich dürfte die Lösung des Rätsels vor einigen
Jahren in der ZDF-Serie TERRA-X vorgestellt worden sein. Hochgiftige
Pilze, vor allem aus der Gattung Aspergillu, hatten im Jahre 1974 den
Tod mehrerer polnischer Wissenschaftler verursacht, die ungeschützt
den Leichnam des vor 500 Jahren verstorbenen Jagellonenkönigs Kasimir
untersucht hatten. Vor allem für Personen mit einem geschädigten
Bronchialsystem oder Lungenbeschwerden ist der Kontakt mit diesen Pilzsporen
lebensgefährlich - Lord Carnarvon war lungenkrank!
Mit dem Nachweis derartiger Pilzkulturen an der Mumie Ramses' II. in
Paris im Jahre 1976, wobei die beteiligten Forscher durch Gummihandschuhe
und Mundschutz vor einer Infektion geschützt waren, lassen sich
die Todesfälle in Ägypten medizinisch einwandfrei klären.
Solche Pilze entstehen aufgrund von Umwelteinflüssen an Leichen
und Mumien - eine absichtliche Verseuchung durch die Balsamierungspriester
gehört dagegen ins Reich der Phantasie und der Gruselfilme.
Quelle:
Dr. Beatrix Geßler-Löhr, http://www2.rz.hu-berlin.de/nilus/net-publications/ibaes1/GesslerLoehr/text1.html