John Donne 1572-1631

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Holy Sonnet X (1609)
von John Donne

Holy Sonnet X

Death be not proud, though some have called thee
Mighty and dreadful, for thou art not so;
For, those, whom thou think'st, thou dost overthrow,
Die not, poor death, nor yet canst thou kill me.
From rest and sleep, which but thy pictures be,
Much pleasure, then from thee much more must flow,
And soonest our best men with thee do go,
Rest of their bones, and soul's delivery.
Thou art slave to Fate, Chance, kings, and desperate men,
And dost with poison, war, and sickness dwell,
And poppy, or charms can make us sleep as well,
And better than thy stroke; why swell'st thou then?
One short sleep past, we wake eternally,
And death shall be no more; death, thou shalt die.

From: Helen Gardner (ed.), The Metaphysical Poets. Harmondsworth, Penguin Books 1966)

Vokabelangaben

thee (Z. 1) – you
thou art (Z. 2) – you are
thou dost (Z. 3) – you do
thou think'st (Z. 5) – you think
but (Z. 5) – nur
thy (Z. 5) – your
be (Z. 5) – are –
much pleasure (Z. 6) – much pleasure flows
soonest (Z. 7) hier: bereitwillig
delivery (Z. 8) – Befreiung der Seele aus dem Gefängnis des Körpers
to dwell (Z. 10) – leben, wohnen
poppy (Z. 11) – Mohn, Opium
charm (Z. 11) – Zauberspruch
stroke (Z. 12) – Schlag
to swell(Z. 12) hier: sich stolz aufblähen
thou swell'st (Z. 12) – you swell
one short sleep past, we wake (Z. 13) – nachdem ein kurzer Schlaf vorüber ist, erwachen wir
thou shalt (Z. 14) – you shall

Deutsche Fassung

Sonett an den Tod

Tod, sei nicht stolz, hast keinen Grund dazu,
Bist gar nicht mächtig stark, wie mancher spricht:
Du tust uns nichts; auch mich tötest du nicht.
Die du besiegt wähnst, warten nur in Ruh.
Wenn schon der Schlaf, dein Abbild, Freude leiht,
Welch hohe Lust muss aus dir selbst gedeihn.
Und gehn auch unsre Größten zu dir ein –
Die Asche fault, die Seele ist befreit.
Du Sklav des Fürsten, des Verzagten Knecht,
Der falsch durch Gift, durch Krieg und Krankheit siegt:
Wenn schon ein Schlaftrunk uns in Schlummer wiegt,
Und besser als dein Streich, wie prahlst du schlecht!
Nach kurzem Schlaf erwachen wir zur Ruh –
Und mit dem Tod ists aus: Tod, dann stirbst du.

(Aus: Curt Hohoff (Hrsg.), Lyrik des Abendlandes. München, Hanser 1978)

1. Autor

John Donne, ein Zeitgenosse Shakespeares, wurde 1572 in London geboren. Nach einigen wenig erfolgreichen Studienjahren in Oxford und Cambridge nahm er 1597 und 1598 an einer Expedition nach Cadiz und auf die Azoren teil. Um den Posten des Privatsekretär des Lordsiegelverwahrers Sir Thomas Egerton annehmen zu können, gab Donne, der aus in einer streng römisch–katholischen Familie kam, nach großen innere Kämpfen, seinen katholischen Glauben auf und trat zur anglikanischen Kirche über. Doch 1601 verlor er seine Stellung und wurde für kurze Zeit ins Gefängnis geworfen, weil er heimlich Egertons Nichte geheiratet hatte. Harte und entbehrungsreiche Jahre folgten, in denen Donne viele seiner religiösen Gedichte schrieb (Divine Poems, 1607). Donne erlangte wieder die Gunst des neuen Königs, James I., und wurde 1615 zum Priester der anglikanischen Kirche und noch im gleichen Jahr zum königlichen Kaplan ernannt. Der Tod seiner Frau 1617 erschütterte Donnes zutiefst, und 1618 erschienen die Holy Sonnets (Geistliche Gedichte), zu denen auch das Sonnet X (Sonett 10) gehört. John Donne gilt als der bedeutendste der metaphysischen Dichter.

2. Inhalt

Im Holy Sonnet X spricht der Dichter mit dem Tod und bestreitet ihm jegliche Berechtigung, Stolz zu zeigen, auch wenn viele Menschen ihn für mächtig und schrecklich halten und ihm daher mit Ehrfurcht begegnen. Er, der Sprecher, weiß es besser. Der armselige Tod (poor death) hat keine endgültige Macht über den Menschen. Denn, wenn schon Schlaf und Ruhe, die Abbilder des Todes, den Menschen erquicken, um wieviel größer muss dann erst die positive Wirkung – die Lust (pleasure) – sein, die der Tod selber bereiten wird. Zum Beweis, dass der Tod nach der Auffassung des Sprechers Befreiung bringt, führt er an, dass der Körper mit dem Tod Ruhe findet (rest of their bones) und die Seele Erlösung (delivery) aus ihrem Gefängnis. Der Tod ist kein souveräner Herrscher, er ist ein Sklave im Dienste vieler Herren: des Schicksals, des Zufalls, des Krieges und der Krankheit. Wenn Opium und Zauber einen besseren Schlaf als der Tod bereiten können, warum, so fragt der Dichter, wirft der Tod sich dann so stolz in die Brust? Der Sprecher ist sich sicher, dass nach einem kurzen Schlaf das ewige Leben beginnt und der Tod selber sterben wird.

3. Aussage

John Donnes Holy Sonnets entstanden wahrscheinlich um 1609, also noch vor Donnes Ordination, wurden aber erst sehr viel später, um 1633, veröffentlicht. Der Verszyklus besteht aus insgesamt 19 Sonetten, in denen der Dichter vor allem über die Themen Sünde, Erlösung und Tod meditiert. Während er in den ersten drei Sonetten der Sammlung vom Herannahen des Todes, vom Gedanken der Vergänglichkeit, eher erdrückt wird, erscheint das Sonett 10 als ein heller Glanzpunkt, in dem der Dichter seiner Heilsgewissheit Ausdruck verleiht. Der Tod hat in Wirklichkeit keine Macht über den Menschen. Nach dem Sterben kommt die Auferstehung, und das Reich Gottes beginnt. Bereits in den ersten Versen weist der Dichter den Tod kühn in die Schranken (Death be not proud) und drückt seine sichere Erkenntnis aus, dass der Tod keinen Schrecken für ihn besitzt, da mit dem Sterben die Existenz des Menschen nicht zu Ende ist. Auch Shakespeare hatte sich in seinem Sonett 18 Shall I compare thee to a summer’s day mit der Zeit und der Vergänglichkeit des irdischen Lebens auseinander gesetzt. Dieses Thema der vanitas mundi wurde ebenfalls in der deutschen Barocklyrik von Dichtern wie Gryphius und Hofmannswaldau gestaltet, die sich in ihrer Verzweiflung angesichts der Verüstungen, die der Dreißigjährige Krieg in den Dörfen, Städten und in den Menschen anrichtete, an Gott als der einzigen beständigen Größe in einer Welt des Chaos wandten. Shakespeare hatte sich über die transience of time, die Vergänglichkeit der Zeit, hinweggetröstet mit der Überzeugung, dass die Kunst das Schöne über den Tod hinaus bewahre. John Donne, der bis zu seinem Tode als Dekan der St. Paul’s Cathedral predigte, gewinnt seine Hoffnung aus seinem festen Glauben an ein Leben nach dem Tod, an die Auferstehung.

4. Form

Das Gedicht folgt der strengen Sonettform. Die 14 Verse gliedern sich in ein Oktett mit dem Reinschema abba, abba und ein Sextett mit dem Reinschema cddcee, das sich von dem der Shakespearesonette unterscheidet, in denen das Reimschema des Sextetts cdcdee lautet. Der Wendepunkt in Vers 9 (Thou are slave) unterstreicht die formale Zweiteilung des Gedichts auch vom Inhalt her.

5. Donne und die Metaphysical Poets

John Donne wird neben Richard Crashaw, George Herbert und Henry Vaughan zu einer Gruppe religiöser Dichter des 17. Jahrhunderts gezählt, die als Metaphysical Poets bezeichnet werden, – eine Bezeichnung, die Samuel Johnson 1693, lange nach dem Tod der Dichter, prägte. Mit diesem neuen Begriff wurde ursprünglich Kritik an der Art der Dichtung dieser Schriftsteller und Missbilligung ihres Stils ausgedrückt. Die Metaphysical Poets verwendeten häufig so genannte Konzetti (conceits), damit sind geistreich zugespitzte Gedankenspiele, gekünstelte Wortspiele und Vergleiche gemeint. In den Worten Helen Gardners, der besten Kennerin dieser Lyriker: ”A conceit is a comparison whose ingenuity is more striking than its justness.” Die ungewöhnlichen Metaphern sollten die Leser vor allem beeindrucken, und sie waren oft so gesucht, man könnte auch sagen, so weit hergeholt, dass sie als unpoetisch angesehen wurden. Im Elisabethanischen Zeitalter, das eher im Zeichen des Dramas als der Lyrik stand, war diese zuweilen kühle, intellektuelle Gedankenlyrik weniger populär als die gefälligeren Erzeugnisse von Lyrikern wie Philip Sidney und Edmund Spenser. John Donne nimmt hier eine Sonderstellung ein, da seine Sonette seiner eigenen Lebenserfahrung entspringen und eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Glauben und der Religion darstellen. Der Leser spürt, dass hier ein Individuum nicht mit Gedankenblitzen brillieren will, sondern mit seinen intellektuellen Zweifeln und Verzweiflungen kämpft. Anlässe für Donnes Meditationen waren zum einen der Zwiespalt, in den er geraten war, als er zur Anglican Church übertrat, kam er doch aus einer katholischen Famile, in der einige Familienmitglieder für ihren Glauben sogar ihr Leben opferten und zum anderen der Tod seiner geliebten Frau. Donnes religiösen Dichtungen sind keine satirisch-ironischen Gedankenspiele, sondern zeugen von den inneren Konflikten eines religiösen Menschen. Und deshalb werden seine Werke auch immer ihren Wert bewahren. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Leistung der Metaphysical Poets neu bewertet, und in den Zwanzigerjahren unseres Jahrhunderts sahen sich Ezra Pound und T. S. Eliot in ihrer Nachfolge. Eliot urteilte über John Donne: ”It is hardly too much to say that Donne enlarged the possibilities of lyric verse as no other English poet has done.”

Quelle:http://www.rainerjacob.de

 

 

GEDICHTE

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